Nachhaltig wirtschaften, nachhaltig reden - oder beides? - Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen
In den 90er Jahren haben weltweit einige tausend Unternehmen Umwelterklärungen
im Rahmen des Öko-Audits vorgelegt (EMAS Bzw. ISO 14.000ff). Inzwischen werden diese reinen Umweltberichte schrittweise durch - inhaltlich deutlich weiter gefasste - Nachhaltigketisberichte abgelöst.
Unternehmen und Nachhaltigkeit?
Unternehmen haben gute Gründe, eigene Schritte zur Umsetzung des
Nachhaltigkeitsleitbildes zu gehen, und zwar nicht nur, weil sie in der
Agenda 21 ausdrücklich als wichtige Gruppe mit aufgeführt sind
(Agenda 21, Kapitel 30), sondern auch aus folgenden Gründen:
Ein Blick ins Wörterbuch: Share
= Anteilsrecht an einer Kapitalgesellschaft
Shareholder
= Anteilseigner, Aktionär Stakeholder = andere Anspruchsgruppen wie
z.B. Mitarbeiter, Nachbarn |
- Unternehmen, die ökologischen Raubbau oder brutale Ausbeutung
betreiben, setzen sich der Gefahr massiver öffentlicher Kritik
der Stakeholder - vor allem von NGOs und Medien - aus. Internationale
Kampagnen, z.B. gegen Kinderarbeit oder anlässlich der geplanten
Versenkung der Ölplattform "Brent Spar", weisen die Unternehmen
dringend darauf hin, dass es auch in ihrem eigenen Interesse liegt,
umfassend Verantwortung für die eigenen Tätigkeiten zu übernehmen.
Dies gilt insbesondere für global operierende Unternehmen!
- Konsumenten suchen Sicherheit und Vertrauen in Marken und Labels;
Kunden, die sich Markenprodukte leisten, erwarten in der Regel stillschweigend,
dass diese auch ökologisch bzw. ethisch "sauber" sind.
- Bei der Umsetzung ökologischer Maßnahmen im Betrieb
zeigt es sich oftmals, dass die soziale Seite mit berücksichtigt
werden muss (sozial bedingte Umsetzungshemmnisse bzw. soziale Voraussetzungen)
- Auf den Finanzmärkten werden Zukunftserwartungen gehandelt.
Sustainability Leader, die mehr als nur ökonomische Zukunftsfähigkeit
glaubhaft machen können, werden dabei im Rahmen ethischer (auch ökologischer) Finanzanlagen (Socially
Responsible Investments, SRI) besonders nachgefragt.
Entsprechende Bewertungen der Finanzmärkte werden u.a. seit 1999 im Dow Jones Sustainability Index (DJSI) abgebildet. Hierfür werden Unternehmen hinsichtlich ihrer Leistungen im Umweltschutz
und im Sozialen bewertet. Die von den Unternehmen veröffentlichten
Nachhaltigkeitsberichte sind dafür eine Grundlage (www.sustainability-indices.com/).
Nachhaltigkeitsbericht und nachhaltige Unternehmensentwicklung
"What is sustainability reporting?
A sustainability report is a report published by a company or organization about the economic, environmental and social impacts caused by its everyday activities. A sustainability report also presents the organization's values and governance model, and demonstrates the link between its strategy and its commitment to a sustainable global economy.
Sustainability reporting can help organizations to measure, understand and communicate their economic, environmental, social and governance performance, and then set goals, and manage change more effectively. A sustainability report is the key platform for communicating sustainability performance and impacts – whether positive or negative."
www.globalreporting.org/information/sustainability-reporting/Pages/default.aspx |
Mit ihren Nachhaltigkeitsberichten wollen Unternehmen die Bereitschaft
zu gesellschaftlicher Verantwortung und zur Mitarbeit an der Lösung
globaler Probleme kommunizieren. Unternehmen, die sich auf die Herausforderung
"Nachhaltigkeit" einlassen, müssen eine Balance zwischen
ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen (im Unternehmen
und mit Blick auf die Gesellschaft) erarbeiten. Dabei müssen neben
den Verknüpfungen vor allem auch die Widersprüche (Zielkonflikte)
zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen wahrgenommen und gelöst werden.
Es gilt, ein Management aufzubauen, das nachhaltigkeitsrelevante
Faktoren in das Unternehmen integriert und umsetzt.
Nachhaltigkeitsberichte sind Bestandteil des hierzu erforderlichen langfristigen
Lern- und Entwicklungsprozesses des gesamten Unternehmens und ein Instrument
für den Dialog zwischen Unternehmen und Gesellschaft (Stakeholdern).
Sie können nicht als "Fertigprodukte" in der Marketingabteilung
entstehen!
Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen möchten, können auf die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) zurückgreifen. Die GRI will die Nachhaltigkeitsberichterstattung
auf das gleiche Niveau wie die Finanzberichterstattung bringen.
Sie hat sehr detaillierte Vorgaben
erarbeitet, nach denen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte aufbauen und verfassen sollen. Von den Unternehmen vorgelegte Berichte werden entsprechend bewertet. www.globalreporting.org/.
Auch in Deutschland verfassen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte überwiegend nach den GRI-Standards.
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und future e.V. analysieren und bewerten seit 1994 Nachhaltigkeitsberichte großer sowie kleiner und mittelständischer Unternehmen aus ganz Deutschland und stellen dann ein Ranking auf. 2015 wurde das neunte Ranking von Nachhaltigkeitsberichten deutscher Unternehmen vorgelegt.
Auf der Website
www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/ werden Vorgehen und Ergebnisse vorgestellt. Vor allem aber werden die besten Berichte jedes Rankings mit einer Kurzeinschätzung und einem Link zum Original-Dokument präsentiert. Damit ist diese Website die beste und inspirierendste deutschsprachige Quelle in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung!
Fragen und Grenzen
Die Nachhaltigkeitsberichte dokumentieren ernsthafte Bemühungen
von Unternehmen, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Wenn sich
eine Schule mit Umweltschutz, Umweltpolitik und nachhaltiger Entwicklung
oder z.B. auch mit Ökonomie befasst, lohnt es sich, auch einmal solche
Berichte einzubeziehen. Bei aufmerksamer und kritischer Lektüre stellen
sich viele Fragen zu den Inhalten des Berichts - aber vielleicht auch
zu den Punkten, die nicht behandelt werden. Dabei könnten
Fragen auftauchen wie z.B.:
- Ist eine nachhaltige Entwicklung mit einem unbegrenzten Wirtschaftswachstum
vereinbar? Und wie gehen die Unternehmen mit dieser Frage um?
- Die Unternehmen, die sich im Sinne der Nachhaltigkeit engagieren,
handeln (auch) in wohlverstandenem Eigennutz. Kann/sollte das ein Motor
für die nachhaltige Entwicklung sein oder stellt das die Aufrichtigkeit
und den Sinn des Engagements grundsätzlich in Frage?
- Wie ist das Nachhaltigkeits-Engagement von Unternehmen zu bewerten,
deren Produkte, wie z.B. Autos, aus Umweltsicht kritisch sind? Wie gehen
die Unternehmen mit dieser Diskrepanz um?
- Was haben die Unternehmen auf der sozialen Seite geleistet und wie
wird darüber berichtet (z.B. Arbeitsbedingungen in Niederlassungen
in anderen Ländern)?
- Wie groß ist die Zahl der Unternehmen, die hier aktiv sind und
wie entwickelt sich das? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich evtl.
für Konsumenten oder Nichtregierungsorganisationen, die sich für
eine nachhaltige Entwicklung einsetzen?
Schlussfolgerungen für Schulen
Neben der Auseinandersetzung mit den Motiven und Inhalten der nachhaltigen
Entwicklung von Unternehmen (siehe oben) können Schulen einige
weitere Schlussfolgerungen ziehen:
- Mut zu kleinen Schritten! Kaum eines der großen Unternehmen
hat aus dem Stand einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt; diese Berichte
hatten in aller Regel eine Vorgeschichte, die oft bis in die Anfänge des
Umwelt- bzw. Qualitätsmanagements zurückreicht und dann viele Jahre gedauert hat. Nicht nur für Unternehmen, auch für
Schulen gilt: Die Entwicklung ist das Ziel; und diese kann auch aus
vielen kleinen Schritten bestehen (z.B. zu Beginn nur wenige Bereiche
auditieren).
- Nachhaltige Beliebigkeit vermeiden! Ein Unternehmen oder eine
Schule auf die nachhaltige Entwicklung auszurichten, erfordert eine
Leitbilddiskussion. Klären Sie, welche Bereiche für Sie wichtig sind und welche Grundsätze und strategischen Ziele Sie in diesen Bereichen haben!
Im Umweltbereich ist das vielleicht einigermaßen einfach, weil z.B. "Energie
sparen" eine relativ anerkannte Zielvorstellung ist. Aber z.B. die Frage, welche Werte Sie Ihren Schüler mit auf ihren weiteren Lebensweg geben wollen, wird einige Diskussion erfordern.
Überlegen Sie, welche Bereiche
für Sie nachhaltigkeitsrelevant
sind und setzen Sie so begründete
Prioritäten!
Tilman Langner im Auftrag der Landeshauptstadt Düsseldorf
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