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Schule der Zukunft

Am Beispiel des Untersuchungsbereichs „Integration von körperbehinderten Schülerinnen und Schülern in Unterricht und Schulleben“ wird vorgestellt, mit welchen Methoden dieses soziale Projekt audititert wurde, und diskutiert, ob und wie soziale Projekte in den Kontext „Umwelt und Entwicklung“ passen.

Klaus Kurtz, Karola Vossmann-Müller

Gemeinsamer Unterricht – Es ist normal, verschieden zu sein

Aus dem Werkstattheft "Zukunft managen" des NRW-Modellversuchs "Agenda 21 in Schule", 2003

Vor der Entscheidung, ein Nachhaltigkeits-Audit durchzuführen, wurde unter den Akteuren in der Hulda-Pankok-Gesamtschule intensiv diskutiert. Nicht nur Umweltthemen, bei denen sich die Schule schon seit Jahren engagiert, sollten untersucht werden. Entstanden ist ein sehr schulspezifischer Zuschnitt von verschiedenen Bereichen, die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Audits untersuchten:

Untersuchungsbereich „Gemeinsamer Unterricht“

Die Datenerhebung in den „klassischen“ Bereichen eines Öko-Audits zielt auf eindeutig messbare Daten. Eine solche Untersuchung birgt kein grundsätzliches Problem und ist inzwischen vielfach erprobt.

Aber wie muss eine Untersuchung aussehen, die den gemeinsamen Schulbesuch von Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen in seiner Besonderheit erfasst und das Gelingen bewertet? Die Akteure in der Schule haben sich entschieden, die Möglichkeiten des Teilhabens an den verschiedensten Bereichen des Schullebens in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei ging es insbesondere um zwei Teilgebiete.

  1. In einem Teilgebiet wurde die Problematik der Barrierefreiheit untersucht: Ist es möglich sich mit dem Rollstuhl bzw. mit einer Gehbehinderung im gesamten Gebäude und auf dem gesamten Schulgelände ohne Einschränkung selbstständig frei zu bewegen ?
  2. Im zweiten Bereich sollten spezielle Reglements für die Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen, die in den letzten Jahren in der Schule erstellt wurden (z.B. zur Mensanutzung), genauer untersucht werden.

Stichwort: Gemeinsamer Unterricht (GU)

An der HPG werden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Körperbehinderung und Sprachbehinderung zielgleich im Gemeinsamen Unterricht (GU) betreut. Zielgleich bedeutet hier, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihrem individuellen Förderbedarf die Anforderungen der allgemeinen Schule im Hinblick auf die erreichbaren Schulabschlüsse der Gesamtschule bewältigen können. Es bedeutet also auch, dass Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen und geistigen Behinderungen nicht aufgenommen werden können.

Im Zusammenleben und -lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen erleben alle eine größere Spannbreite von Lebensmöglichkeiten: „Es ist normal, verschieden zu sein!“ Hier kann der Grundanspruch der Gesamtschule, eine Schule für alle zu sein, in besonderer Weise verwirklicht werden.

Die Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen lernen in so genannten GU-Klassen. Hier werden normalerweise 27 Schülerinnen und Schüler (davon drei mit sonderpädagogischem Förderbedarf ) unterrichtet, während die Parallelklassen ohne GU von 30 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Die GU-Klassen werden von Sonderpädagogen begleitet. Die Anzahl der Förderstunden ist vom jeweiligen Förderbedarf der einzelnen Schülerinnen und Schüler abhängig.

Auf der Grundlage fortlaufender Beobachtung werden die Unterrichtsvorhaben geplant und durchgeführt. Bei anstehenden Leistungsüberprüfungen können in Einzelfällen Nachteilsausgleiche beschlossen und gewährt werden, um die Erschwernisse durch Beeinträchtigung der Motorik, Wahrnehmung und Kommunikation zu berücksichtigen.

Seit 1995 werden Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen aufgenommen, die ersten haben im Jahr 2002 den Abschluss der 10. Klasse erreicht, einige lernen mittlerweile in der gymnasialen Oberstufe, um an der HPG ihr Abitur zu machen.

Seit 1995 werden an der Schule Schülerinnen und Schüler mit und ohne Körperbehinderungen gemeinsam in so genannten GU-Klassen unterrichtet. Für die Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderungen sind von der Stadt Düsseldorf erhebliche Umbaumaßnahmen im Schulgebäude vorgenommen worden. Die Praxistauglichkeit dieser Maßnahmen sollte auf den Prüfstand, damit Aussagen zu erreichter Barrierefreiheit in der Schule getroffen werden konnten. Außerdem sollten die oben angesprochenen speziellen Reglements für die körperbehinderten Schülerinnen und Schüler überprüft werden.

Die Gruppe, die sich am 21.11.2000, dem „Audit- Tag“, mit diesen Themenbereichen auseinander setzte, bestand aus 12 interessierten, nicht behinderten Schülerinnen und Schülern, die zum Teil vorher keinen oder nur wenig Kontakt mit den GU-Klassen hatten. Die Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen arbeiteten an diesem Tag auf eigenen Wunsch in anderen Untersuchungsgruppen wie z.B. bei der Lärmmessung. Aufgrund dieser Ausgangslage setzten sich die Gruppenmitglieder zunächst im Wesentlichen durch Selbsterfahrung mit dem Thema Körperbehinderung auseinander. Die nicht behinderten Schülerinnen und Schüler nutzen die schuleigenen Rollstühle, um ausgedehnte Erkundungsfahrten innerhalb und außerhalb des Schulgeländes zu unternehmen. Die nähere Umgebung wurde auf Wunsch der Schülergruppe als wesentlicher Untersuchungsbereich einbezogen. Bei den Erkundungen wurden die Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl immer von nicht behinderten Partnern begleitet, die unterstützend eingreifen konnten, besondere Situationen fotografierten und spontane Äußerungen protokollierten und reflektierten. Es sollte niemand mit einem Rollstuhl allein gelassen werden. Anschließend wurden die unterschiedlichen Erfahrungen im gemeinsamen Gedankenaustausch der gesamten Gruppe besprochen.

Ergebnisse

Auch in der behindertengerecht eingerichteten Hulda-Pankok-Gesamtschule finden sich immer noch Hindernisse und nicht durchdachte Regelungen: schwer gängige Türen, ein für Rollstuhlfahrer zu hoch aufgehängter Vertretungsplan, komplizierte Fahrstuhlbedienung und ein Mensa-Reglement, das überarbeit werden muss.

Neben den baulichen Barrieren wurden vor allem die Reaktionen der Mitmenschen thematisiert. Diese führten bei den Schülerinnen und Schülern zu den unterschiedlichsten Erfahrungen und Empfindungen – von Hilflosigkeit bis hin zu heftiger Wut. Zurück von den Erkundungsaufträgen äußerten sich die Schüler spontan.

Neben den konkreten Erfahrungen, wie schwierig es ist, manche Ziele (nicht) zu erreichen, an Dinge nicht heran zu kommen, langsamer als die anderen zu sein, keine Zeit für eine Pause zu haben und offene Ablehnung zu erfahren, wurden in den anschließenden Gesprächen immer sehr schnell die dahinter liegenden Empfindungen, Verletzungen und Gefühle wie Wut, Scham und Angst angesprochen. Eine Schülerin formulierte das sehr eindringlich am Beispiel des Bahnfahrens: „Die scheinbar größte Aufgabe war es, eine Station mit der Bahn zu fahren. Doch so schlimm war es gar nicht. Die Leute waren sehr hilfsbereit und trugen mich in die Bahn. Ich betete, dass ich nicht zu schwer wäre. Wäre ja peinlich. Beim Bahnverlassen war es genauso, ich wurde hinausgetragen. Beide Male hatte ich Angst, dass die Leute während des Tragens ausrutschen könnten und samt mir im Rollstuhl fallen würden.“

Einige der älteren Schülerinnen und Schüler (9. Schuljahr) setzten sich gedanklich sehr intensiv mit dem Thema Frau- und Mannsein mit Behinderungen auseinander und wünschten sich ein Gespräch mit den betroffenen Mitschülerinnen und Mitschülern. Einigkeit herrschte bei allen Beteiligten darüber, dass das Thema sowohl im Unterricht als auch über den Unterricht hinaus weiter behandelt werden soll. Ihr Vorschlag ging dahin, einem größeren Teil der Schülerschaft solche Erfahrungen zu ermöglichen und mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern mit Körperbehinderungen in einen Austausch über die Erfahrungen zu treten. Außerdem wurde eine Liste mit baulichen Problemen erstellt und an das Audit-Team bzw. an die Schulleitung weitergegeben.

Für alle beteiligten Schülerinnen und Schüler in der Untersuchungsgruppe standen die sozialen Beziehungen sowie die sehr intensiv erlebten, persönlichen Emotionen im Vordergrund des Vorhabens. Den Jugendlichen war sehr bewusst, dass es bei diesem Thema um wesentlich mehr als nur um technische Verbesserungen in der Schule geht, so wichtig diese auch im Alltag sind. Es geht um gegenseitiges Verständnis der individuellen Unterschiedlichkeit und Entscheidungen über die Art des Zusammenlebens in der Gesellschaft. Es ist also die persönliche Erfahrungs- und Wahrnehmungsfähigkeit jedes Einzelnen gefragt, die Fähigkeit, über das Erlebte zu kommunizieren, die Fähigkeit zu bewerten und Handlungen für die Zukunft daraus abzuleiten.

Von der Untersuchung zum Programm

In der Auswertungsphase im Schuljahr 2000/2001 waren die Diskussionen zum Thema „Gemeinsamer Unterricht“ besonders intensiv. Im Rahmen des Audit-Prozesses wurden die Untersuchungsergebnisse der Schülergruppen einem größeren Kreis von Beteiligten vorgestellt. Die Teilnehmenden dieser Sitzungen erinnern sich, wie z.B. das Schulgebäude plötzlich in einem ganz anderen Licht erschien. Dinge, die man für eine Selbstverständlichkeit gehalten hatte, wurden neu bewertet. Warum war noch niemandem so etwas Einfaches wie die Notwendigkeit aufgefallen, den Vertretungsplan tiefer zu hängen? Plötzlich diskutierten Schülerinnen und Schüler Fragen der Sicherheit im Gebäude: schwere Brandschutztüren contra Leichtgängigkeit oder Offenstehen dieser Türen für Rollstuhlfahrer oder die Frage nach der Sinnfälligkeit von bestimmten Regelungen, z.B. der Notwendigkeit besonderer Regelungen für Rollstuhlfahrer in der Mensa usw. Deutlich wurde auch, dass man mit derlei Aktivitäten nicht am Schulzaun stehen bleiben darf, sondern konsequenterweise auch außerhalb der Schule Engagement zur Veränderung nötig ist.

Das besonders große Interesse für diesen Themenbereich in der übrigen Schulgemeinde erklärt sich daraus, dass es für alle Beteiligten in der Schule offensichtlich ist, was dieses Thema „mit uns zu tun“ hat. Jeder hat ein Gefühl dafür, wie es ist, mit seinen individuellen Bedürfnissen und Interessen, mit seinen verborgenen Stärken, Schwächen und „Makken“ in einer Gruppe gar nicht oder nicht hinreichend wahrgenommen zu werden. Diese „Geschichten“ erzählen zu können, also die soziale Kommunikation um den Gesprächsanlass „Daten“ herum (in diesem Fall Erlebnisse mit Hindernissen aller Art und, viel wesentlicher noch, mit menschlichen Reaktionen), ist eine hohe Motivation bei solchen Aktivitäten und – nach unserer Erfahrung – unverzichtbare Grundlage für die Verständigung über Ziele. Das gilt nach unserer Erfahrung übrigens genauso für alle übrigen Arbeitsbereiche, nicht nur für das erwähnte Beispiel. Alle Umweltaktivitäten sind letztlich natürlich auch soziale Aktionen. Dies misszuverstehen und nicht in die Planung einzubeziehen, sehen wir als eine der Ursachen an, warum es manchmal schwer erscheint, Menschen für solche Aktivitäten zu gewinnen.

Als Konsequenz aus den Untersuchungen vereinbarte die Schulgemeinde schließlich aus der Vielzahl der Vorschläge folgende Zielsetzungen zur Weiterarbeit im Themenbereich „Integration für die Audit- Erklärung“:

Ziele Maßnahmen Zeitraum Verantwortlich
Beim Ausbau der Schule werden die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen besser berücksichtigt.

Die Schule bemüht sich um die Realisierung folgender baulicher Maßnahmen:

  • Einrichtung 6 zusätzlicher Differenzierungsräume für den gemeinsamen Unterricht sowie eines Ruheraumes
  • Veränderung der Bedienung des Aufzugs (Verhinderung unbefugter Manipulierung von außen)
  • Installation einer Notrufeinrichtung und einer Belüftung in den Toiletten
  • Erleichterung des Öffnens von einigen Türen in den Fluren
fortlaufend AK Gemeinsamer Unterricht
Schulpflegschaft
Schulleitung
Bei der Organisation des Schulbetriebs
werden die Bedürfnisse
der Schülerinnen und Schüler mit
Behinderungen besser berücksichtigt.
Es wird ein weiterer Vertretungsplan in
Augenhöhe der Rollstuhlfahrer installiert.
sofort AK Gemeinsamer Unterricht
Schulpflegschaft
Schulleitung
Die Mensaregelung (Rollstuhlfahrer
dürfen vor) wird wegen des steigenden
Anteils der Rollstuhlfahrer verändert.
Schuljahr
2001/2002
Das gegenseitige Verständnis
zwischen behinderten und nicht
behinderten Schülerinnen und
Schülern soll stärker gefördert
werden.
Aktionstage von behinderten und nicht
behinderten Schülerinnen und Schülern
werden auch in den kommenden Schuljahren
durchgeführt.
Beginn im
Schuljahr
2002/2003
AK Gemeinsamer Unterricht
Tabelle aus der Broschüre „Schul-Check Nachhaltigkeit 2001“, Nachhaltigkeits-Erklärung der HPG, Düsseldorf 2002, S. 11


Realisierung der formulierten Zielsetzungen

Ab dem Schuljahr 2001/2002 begann die Realisierung der Zielsetzungen. Inzwischen ist der Vertretungsplan tiefer gehängt. Die Stadt Düsseldorf als Eigner der Immobilie Schulgebäude ist über unsere Vorstellungen zum Neubau der Sporthalle, hier insbesondere über unsere detaillierten Wünsche für mehr Behindertenfreundlichkeit und zur ökologischen Ausrichtung der Neubaumaßnahme, informiert. Der Arbeitskreis Umweltbildung, der AK Gemeinsamer Unterricht und die Fachkonferenz Sport hatten ein gemeinsames Konzept erarbeitet, das eine Abordnung der Schule als PowerPoint- Präsentation einer Kommission der beteiligten Ämter der Stadtverwaltung vortrug. Der Schulträger signalisierte Interesse an einer intensiven Zusammenarbeit mit der Schule und gab die schulischen Vorstellungen an den Architekten weiter, der den Neubau plant.

Ein schönes Beispiel, wie Erfahrungen über Spiel, Spaß und gleichsam nebenbei gemacht werden können, ist die Rolli-AG, die es jetzt seit einem Schuljahr gibt. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Körperbehinderungen können sich hier sportlich austoben, Rollstuhl fahren lernen und Erfahrungen machen, wie man den Rollstuhl als Sportgerät nutzen kann. Die Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderungen sind dabei zunächst die Fachleute, die ihre Kenntnisse weitergeben. Das Entscheidende ist aber das gemeinsame Spiel, bei dem sowohl die Normalität als auch das Besondere des Rollstuhls deutlich werden kann. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleben, dass ein Rollstuhl die Mobilität nicht in erster Linie einschränkt, sondern sie ermöglicht. Sie erleben aber auch etwa bei Wettspielen, dass es noch schwieriger ist mit Stresssituationen umzugehen, wenn man sie nicht in gewohnter Weise körperlich ausagieren kann, dass man z. B. nicht aufstehen kann, sondern nur einen sehr begrenzten Handlungsradius hat.

Für das zweite Halbjahr des Schuljahres 2002/ 2003 bereiteten mehrere Lehrerinnen und Lehrer den Aktionstag zur Barrierefreiheit im Öffentlichen Nahverkehr der Stadt Düsseldorf vor. Im Mai 2003 wurden von Schülergruppen in Rollstühlen Haltestellen, Umsteigepunkte und Schienenfahrzeuge im Öffentlichen Nahverkehr in Düsseldorf auf Tauglichkeit für Behinderte getestet, die Ergebnisse dokumentiert und veröffentlicht und der Veränderungsbedarf mit Vertretern von Stadtrat, Betreibergesellschaften des ÖPNV und interessierten Verbänden öffentlich diskutiert. Ziel ist es, die vorgefundenen Situationen zu verbessern.

Bewertung des Vorgehens und der Ergebnisse aus heutiger Sicht

Welchen Nutzen hat der Aufwand der Audititierung dem Arbeitsbereich Gemeinsamer Unterricht in unserer Schule gebracht ? Unser Fazit vorweg: Der Aufwand zahlt sich vielfach aus!

Bei der Auswertung der Ergebnisse des Audits an unserer Schule wurde deutlich, dass dem Bereich Gemeinsamer Unterricht und seiner Einbettung in den Schulalltag besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In Folge dessen ist die Sensibilität für die spezifischen Probleme deutlich gestiegen. Durch die öffentliche Kommunikation über einzelne Maßnahmen in der Schule wurden die Problempunkte zügig bearbeitet und teilweise kreative Lösungen gefunden, bspw. sind die Notruftasten in den Behindertentoiletten inzwischen mit dem Mobiltelefon des Hausmeisters bzw. mit dem Telefon des Sekretariats verbunden – auf Initiative des Hausmeisters. Andere Probleme wurden überhaupt erst bewusst wahrgenommen. Im Rahmen der jährlichen Brandschutzübungen wurde speziell die Rettung der Rollstuhlfahrer thematisiert und geübt. In Sicherheitsbesprechungen, bspw. auf der Lehrerkonferenz, spielte diese Frage eine besondere Rolle und so wurde kürzlich u.a. eine spezielle Ausbildung von Schülerinnen und Schüler zu „Rettern“ vorgeschlagen.

Im Rahmen des gemeinsamen Arbeitsprozesses entwickeln sich (übrigens ebenso bei den Lehrkräften wie bei den Schülerinnen und Schülern) Gestaltungskompetenzen, bspw. offen und zugänglich für neue Perspektiven zu sein, Empathie und Solidarität zeigen zu können, individuelle und kulturelle Leitbilder reflektieren zu können, partizipieren sowie sich und andere motivieren zu können, planen und agieren zu können. Die Erfahrung, dass das systematische und auf Partizipation der Beteiligten auf- bauende Vorgehen im Rahmen eines Audits tatsächlich Änderungen zur Folge hat, dass Dinge effektiv bewegt werden können, verschafft den Beteiligten tendenziell neue Einsichten über die Erfolgsfaktoren des eigenen Handelns. Einflussmöglichkeiten und eigene Fähigkeiten werden neu bewertet und dies führt dazu, dass alle bereit sind, sich auch Größeres für den nächsten Schritt vorzunehmen.

Zur Frage, wie Qualität in der Schule gemessen werden kann, haben wir gerade in diesem Themenbereich einige interessante und anregende Erfahrungen sammeln können. Es zeigte sich ja, dass hier mit anderen Maßstäben und Messwerkzeugen gearbeitet werden musste und weiterhin muss. Auf feste physikalische Größen, wie bei der Lärmmessung oder bei der Messung des Papierverbrauchs, kann nur in Fällen von rein baulichen Maßnahmen zurückgegriffen werden. Nur bei letzteren kann bspw. Praktikabilität klar und eindeutig überprüft werden. Subjektivität und Kontextbezogenheit der sozialen Prozesse widersetzen sich einer Normierung. Hier dürfte es schwierig sein, Standards für schulische Audits festzulegen. Diese Schwierigkeit sollte aber unseres Erachtens keineswegs dazu führen, diese Bereiche nicht in ein Nachhaltigkeits-Audit aufzunehmen. Spannend ist es vielmehr, kreative Wege zu finden, wie ein komplexer Sachverhalt adäquat erfasst bzw. „gemessen“ werden kann.

Alter Wein in neuen Schläuchen ?

Für ein Nachhaltigkeits-Audit halten wir deshalb die Auditierung sozialer Fragen und Probleme (wie Gesundheit, Ernährung, Streitschlichtung u.Ä.) für unbedingt erforderlich. Zu diskutieren wäre allerdings, welche sozialen Fragen tatsächlich „nachhaltigkeitsrelevant“ sind. Darüber hinaus sind Aspekten der sozialen Qualität des innerinstitutionellen Arbeitsprozesses (hier vor allem der Partizipation der Schülerinnen und Schüler) unbedingt einzubeziehen.

Die Agenda 21 fordert die Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte eines Themas, also den vernetzten Blick auf die Realität. Die Untersuchung zum Gemeinsamen Unterricht erscheint zunächst eindimensional und es stellt sich die Frage, ob das Fehlen von Umwelt und ökonomischen Gesichtspunkten in der ersten praktischen Untersuchung einen entscheidenden Mangel im Sinne der Nachhaltigkeit darstellt. Gehört so ein Bereich überhaupt zu einem Öko- bzw. Nachhaltigkeits-Audit ? Oder muss man, um nicht Gefahr zu laufen, „alten Wein in neuen Schläuchen“ zu verkaufen – sprich Projekte herkömmlicher Umweltbildung oder soziale Projekte einfach nur zu Agenda-Projekten „umzuettiketieren“ – auf einer Integration, also einer Verknüpfung in jedem einzelnen Arbeitsbereich, bestehen?

Die Sichtweise, dass die oben genannten Aspekte Berücksichtigung finden müssen, wenn ein Vorhaben unter dem Label „Agenda“ seriös sein soll, teilen Autorin und Autor. Aber praktischer Weise muss man zunächst ja einen Anfang finden, quasi ein Fadenende, von dem aus ein solcher komplexer Zugriff aufgerollt werden kann. Konsequenzen aus der zunächst eindimensionalen Beschäftigung mit dem Thema Integration während der Untersuchungsphase sind in der Audit-Erklärung formulierte Ziele, Investitionen in der Schule zu tätigen und die entsprechenden Baumaßnahmen (u.a. Sporthalle) auch ökologisch auszurichten. Außerdem wird im Rahmen des Aktionstags zur Untersuchung der Behindertenfreundlichkeit des ÖPNV in Düsseldorf das soziale Thema mit ökonomischen Forderungen (Investitionen des Verkehrsunternehmens für Ausbau der Barrierefreiheit) und einer gesellschaftlichen Entscheidung für umweltfreundliche Mobilität auch für diese besondere Gruppe verbunden. Die Umsetzung dieser Ziele lässt sich im folgenden Audit-Zyklus wiederum auditieren.

Schwieriger in diesen Themenbereich einzubeziehen ist der Gesichtspunkt der globalen Verantwortung, der zu Recht gerade für ein Audit mit dem Anspruch, Nachhaltigkeit abzubilden, besteht.

Aber: Zwölf nicht behinderte Schülerinnen und Schülern haben in Rollstühlen einen Tag lang sehr hautnah einen Perspektivenwechsel erlebt. Dieser ist zweifellos zunächst ein lokales, individuell zugängliches Erfahrungsfeld für die Schülerinnen und Schülern – mit der Chance, dass sie ein besseres Verständnis für unterschiedliche Interessen und den notwendig zu findenden Interessenausgleich entwikkeln. Lässt sich dieses erworbene Verständnis eventuell auf Problemlagen in der globalisierten Welt transferieren? Dann handelte es sich statt um einen im Thema selbst verankerten Bezug zur globalen Verantwortung eher um eine Vermittlung von Schlüsselqualifikationen oder Gestaltungskompetenzen. Ein zu sehr konstruierter Kontext ? Wenn ja, stellt sich trotzdem die Frage, wie derartige Erfahrungen und ihre Auswirkungen zu auditieren sind.

Mögliche Weiterentwicklung der Auditierung im Themenbereich GU

Im Jahr 2002 erreichten die ersten GU-Klassen der Schule den Abschluss des 10. Schuljahres. Alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen erlangten einen Abschluss, vier von ihnen werden die Schule weiter in der gymnasialen Oberstufe besuchen – so weit ein erster, allgemeiner und sehr positiver Rückblick.

Es ist vorstellbar, die Schüler z.B. nach ihren Erfahrungen auf Ausflügen, Klassenfahrten und anderen Unternehmungen außerhalb des Unterrichts zu befragen. Des Weiteren könnte eine Befragung zu Inhalten und Methoden des Unterrichts in GUKlassen und Nicht-GU-Klassen durchgeführt werden, um festzustellen, ob und wie die Integration von GUSchülerinnen und -Schülern in den Unterricht tatsächlich im Sinne der Zielsetzungen der Schule und der individuellen schulischen Biografien der Schüler funktioniert oder ob es hier nicht erwünschte Unterschiede gibt. Vorstellbar wäre in einem solchen Bereich die Zusammenarbeit mit einem externen Partner wie einer Universität oder einem Institut, die über Qualifikationen zur Durchführung wissenschaftlich fundierter Evaluation verfügen.

 

 

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