Geschwister-Scholl-Gymnasium
Wenn ich noch einmal die Gelegenheit bekomme,
bin ich wieder dort!
Reise von 4 Geschwister-Scholl-Schüler/innen
aus Düsseldorf nach Shanghai, Chongqing und Beijing in
China (19.9. – 3.10.2008)
von Barbora Dabisch, Jgst. 13
Das Reich der Teetrinker
Nie ich hätte gedacht, dass ich jemals einen Fuß auf
chinesischen Boden setze.
Nun, in Shanghai angekommen, knallt uns zunächst eine
dichte, dicke, undurchdringbare Wand von sauerstoffarmer,
versmogter und feuchter Luft gegen den Schädel. Eine
Hitze von gefühlten 50 Grad, vergleichbar mit einem
Saunabesuch. Und das im Herbst. Shanghai ist wohl die imponierendste
Stadt, die ich je sah. Sie ist nicht die bedeutendste und
interessanteste, sondern für europäische Verhältnisse
eine unglaublich große und dicht besiedelte Stadt.
Shanghai ist die Metropole, die den Marktaufschwung und den
Bauboom ganz nach dem Sinne der Regierenden voll und gerecht
repräsentiert. Hier sieht man die Materialien, die Europa
zuvor abgekauft wurden, wieder. Es ist deswegen umso aufregender
zu einer Zeit in Shanghai zu sein, wo die Stadt noch nicht
ausschließlich aus Wolkenkratzern besteht. Denn der
Weg durch das alte Stadtviertel, wo die Menschen in ihren
alten Hütten ohne moderne Küche und Bad wohnen,
und ihre Wäsche draußen auf der Straße zwischen
den Hütten aufgespannt haben, bringt uns Europäer
wirklich an die Grenzen des Vorstellbaren und sollte deswegen
erlebt werden.
Links: Shanghai bei Nacht. Rechts: Bei der Wasseruntersuchung
in Chongquing
Auf dem Weg zum Bund, dem örtlichen Boulevard, sehen
wir Bauern, die ihre Früchte auf der Straße verkaufen
und am Straßenrand versuchen, sie nach chinesischen
Standards zu säubern. Die Früchte kullern uns sogar
vor die Füsse und man sieht zwischendurch auch mal große
Müllhalden. Wir werden begleitet von Gerüchen jeder
Art. Alle zwei Meter ein neuer undefinierbarer Geruch, den
man wohl noch nie zuvor in seinem ganzen Leben gerochen hat
und wohl auch kein zweites Mal erleben wird. Auf den Tummelplätzen
der Touristen, wie dem Bund in Shanghai oder in Chongqing
oder Beijing, egal wo in China, es wird immer versucht, die
billig hergestellten Chinasouvenirs an die Touris zu verkaufen.
Ganz nach der Marktstrategie „original made in China“ wird
jeglicher Schrott versucht in Geld zu verwandeln. Ein Schwein,
das man auf den Boden platt platschen kann und das sich dann
wieder in seine Ursprungsform zurückbildet, wird als
lebensnotwendig vermittelt.
Am meisten tun mir persönlich die Bettler leid. Doch
warum müssen junge Mütter mit ihren kleinen Kindern
nachts auf der Straße liegen. Die kleinen Kinder haben
es nicht verdient mit offener Hose - Öffnung der Hose
am Unterleib ist für Kleinkinder in China üblich,
erspart Windeln - auf der Straße zu schlafen. Sie werden
von ihren Müttern buchstäblich ausgenutzt, um Touristen
mit weichem Herzen das Portmonee zu erleichtern. Kaum versieht
man sich und man wird in eine perfekt inzinierte Verkaufsstrategie
gebunden, die auf junge, unerfahrene und naive Chinatouristen
konzipiert wurde: Eine „echt chinesische traditionelle
Teezeremonie“, die wirklich nur „alle drei Jahre“ stattfindet,
miterleben zu dürfen, löst in Chinatouristen wahre
Glücksgefühle aus.
Öfters kommt der Sinn des Jing Jang zum Vorschein:
Nicht nur in der Architektur Chinas - Steine stehen für
das Männliche, Wasser für das Weibliche -, sondern
auch unter den Menschen herrscht eine so ausgeglichene Art
miteinander umzugehen. Keiner ist im Stress. Alle trinken
Tee und genießen ihr Leben in vollen Zügen. Man
spürt, dass sie zufrieden sind mit dem, was sie haben.
Bewundernswert ist außerdem der Fahrstil der Chinesen.
Wenn die Straße es von der Breite hergibt, überholt
man das vorausfahrende Auto bzw. die Blechkarre einfach,
egal wenn man dabei in den entgegenkommenden Verkehr fährt.
So wie auch sonst Chinesen ununterbrochen sich mit ihrem
Handy beschäftigen, beschäftigen sie sich damit
auch während der Autofahrt. Die Sicherheitsgurte scheinen
auch nur eine Erfindung für Touristen zu sein oder für
die Weicheier im Land. Mitten auf der Straße wird gewendet,
denn doppelt durchgezogene Linien haben ja gar keine Bedeutung.
Dem Zebrastreifen wie in Deutschland Vertrauen zu schenken
ist lebensgefährlich. Meistens herrscht das Gesetz des
Stärkeren auf Chinas Strassen. Ansonsten ist die Hupe
der beste Freund des Fahrers und wird auch voll und ganz
zu jeder Möglichkeit kräftig betätigt.
Das Sprichwort, „Chinesen essen alles, was vier Beine
hat, nur den Holztisch nicht“, stimmt so nicht. Die
Kantonesen sind da eine extreme Randgruppe Chinas, die so
gut wie alles essen. Wie gut, dass wir denen nicht begegnet
sind. Für einen, der das Essen liebt und offen ist für
sich neue Speisen zu probieren, ist die chinesische Esskultur
genau das Richtige. Also für mich genau das Richtige.
Von Leckereien zum Tee, von Fleischbonbons, exotischen Früchten,
Lotusblütenwurzeln, Achillesversen, Stimmbändern,
verschiedenen Innereien, behaarten Bohnen, Tauben bis hin
zur Pekingente waren dies auch schon die wirklichen Besonderheiten,
die uns auf den Tisch gestellt wurden. Allein anhand dieser
großen Vielfalt findet man schnell seine neue Leibspeise,
also etwas, was man genießen kann. Wer die traditionellen
Speisen nicht mag, findet mit Sicherheit auch etwas zu essen.
Mein Favorit ist die Peking Ente. Peking Ente essen zu dürfen
ist eine Besonderheit. Vor allem, wenn man dabei in Beijing
ist. Sie ist nicht vergleichbar mit der „Pekingente
süß sauer“ in Deutschland.
Im Vergleich zu Shanghai ist Beijing ruhiger. Die Hauptstadt
der Volksrepublik scheint geordneter zu sein und über
lange Jahrhunderte hinweg gewachsen. Sie ist kulturell und
historisch wertvoller als Shanghai. Sie ist aber keinesfalls
eine langweilige Stadt. Es ist immer etwas los, da die Stadt
nie zu schlafen scheint. Teilweise vermittelt sie auch einen
sauberen Eindruck, der wohl noch von der Olympiade hinterlassen
wurde und von zusätzlichen Putzkräften stammt,
um den Nationalfeiertag in der Hauptstadt besonders rein
zu präsentieren und die Müllberge der aus ganz
China Anreisenden nicht unkontrolliert wachsen zu lassen.
Als Europäer wird man immer und überall von erstaunten
Gesichtern angeschaut. „Oh, you’re
so beautiful. I would like to take a picture with
you!“ Und schon steht man für kleine, überaus
freundliche Chinesen still, um ein gemeinsames Erinnerungsfoto
bzw. Beweisfoto für Bekannte zu schießen. Man
gewinnt das Gefühl der Außergewöhnlichkeit
unter all diesen Chinesen, die wirklich alle dieselben Merkmale
tragen. Genau im nächsten Augenblick ist man wirklich
herzlich gerührt, weil eine junge Mutter um ein Foto
bittet, auf dem man neben ihrem Kleinkind stehen oder ihr
Baby tragen soll.
Mit dieser Offenheit und Freundlichkeit hatte ich vor der
Reise nicht gerechnet, doch sie begegnet uns wirklich auf
der ganzen Reise: In der Gastfamilie, wie auch in unserer
Partnerschule, der Baxian Middle School in Chongqing, überschlug
man sich vor Eifer, uns einen schönen und gelungenen
Aufenthalt zu ermöglichen. Mit Sorgfalt, Stolz und Konzentration
wird erklärt, was zu erklären war. Der Unterricht,
der uns interessante Einblicke liefern sollte, war sehr beeindruckend.
So wie eigentlich alles auf dieser Schule. Dimensionen sind
dort vorhanden, die wir nicht kennen. Computerräume
mit je 70 Computern, ein eigenes Schulmuseum, eine Sportanlage
vergleichbar mit einer Arena, ein Hochhaushaus für Lehrer,
ein Internat für die Schüler und eine eigene Schulkantine.
Nach zwei Wochen, die wie im Flug vergingen, war ich sehr
traurig, dieses großartige Land verlassen zu müssen… Wenn
ich nur noch einmal die Gelegenheit bekomme, bin ich wieder
dort!
Bei diesen Zeilen handelt es sich nur um eine extrem kurze
Reisebeschreibung – in Wirklichkeit kann ich über
diese zwei Wochen ein Buch schreiben.
Barbora Dabisch, Jgst. 13, 2009
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