Kopfbanner Bildung für nachhaltige Entwicklung - international
Suche


RSS-Feed

umweltschulen.de ist Einzelbeitrag

Unesco-Dekade

Strukturen der Umweltbildung in der VR China

von Dr. Eva Sternfeld

Das chinesische "Wirtschaftswunder" hat seine Schattenseiten. Umweltverschmutzung und die unwiederbringliche Zerstörung lebenswichtiger Ressourcen begleiten in weiten Teilen des Landes unübersehbar den wirtschaftlichen Aufschwung. Die enormen Probleme zeugen nicht nur davon, dass China auf dem Gebiet der Umwelttechnologie noch großen Entwicklungsbedarf hat, sondern weisen auch darauf hin, dass sowohl bei Entscheidungsträgern als auch bei Konsumenten das Wissen um die Bedeutung von Umweltschutz und schonendem, sparsamen Umgang mit Ressourcen häufig fehlt. Mittlerweile wird jedoch auch von offzieller Seite die Bedeutung von Umweltbildung und -erziehung als eine Investition für nachhaltige Entwicklung anerkannt. Auch die kontrollierten Medien haben sich des Umweltthemas angenommen und berichten mit zunehmender Frequenz und mit noch vor einigen Jahren unbekannter Offenheit über Umweltprobleme im eigenen Land. So werden z.B. Daten zur  Luftqualität in Zeitungen veröffentlicht und im Internet veröffentlciht. In Chinas Städten hat inzwischen ein beachtlicher Teil der Bevölkerung einen Lebensstandard und ein Bildungsniveau erreicht, die ihnen den "Luxus" erlauben, saubere Umwelt und gesunde Ernährung als Werte zu erkennen und einzufordern. Sie sind auch die Zielgruppe für die im folgenden vorgestellten Programme zur Umwelterziehung. 

Programme

Seit die staatliche Umweltbehörde SEPA 1996 ihr Fünf-Jahres Aktionsprogramm für Öffentlichkeitsarbeit und Erziehung im Umweltbereich (National Action Programme for Environmental Publicity and Education 1996-2000) vorstellte, haben die Aktivitäten in diesem Bereich deutlich zugenommen. In Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium unterstützt die SEPA landesweite Programme zur Umwelterziehung. Die SEPA gibt seit 1996 eine eigene Monatszeitschrift "Environmental Education" (Huanjing Jiaoyu) heraus und organisiert schulübergreifende, umweltbezogene Aktionen (wie z.B. Malwettbewerbe zu Umweltschutzthemen). Die Arbeit von NGOs in diesem Bereich wird geduldet und von staatlicher Seite unterstützt.

Für das Aktionsprogramm hat die SEPA eine eigene Behördenstruktur geschaffen, die auf nationaler Ebene durch das "Center for Environmental Education and Communication" (CEEC) repräsentiert wird. Ihm unterstehen auf Provinzebene und Stadtebene die "Publicity and Environmental Education Center" (PEC) der örtlichen Umweltämter. CEEC organisiert Konferenzen und Fortbildungen und gibt Informations- und Lehrmaterialien heraus. Das dem CEEC unterstehende China Environment and Sustainable Development Reference and Research Center (CESDRRC) in Beijing ist als gebührenfreie öffentliche Fachbibliothek mit einer großen Auswahl an chinesisch- und englischsprachigen Publikationen zu Umwelterziehung eine bisher landesweit einmalige Einrichtung.  

"Grüne Schulen"

Kinder sind die kleinen Kaiser im neuen China, so knüpft sich an die Umwelterziehung in Grund- und Mittelschulbereich nicht nur die Hoffnung, dass die nächste Generation bewusster mit Umweltressourcen umgeht, sondern auch, dass über die Kinder auch deren Eltern erreicht werden können.

Eine der Initiativen, die aus dem Aktionsplan hervorgegangen ist, ist das nationale Programm zur Förderung von sogenannten "Grünen Schulen". Interessierte müssen Schulen folgende Bewerbungskriterien erfüllen:

  • Engagement und Interesse des Schulleiters an Umweltthemen
  • Teilnahme von Schuleiter und zuständigen Lehrern an Umweltfortbildungen
  • Aufnahme von Umweltthemen in die Curricula und besondere Aktivitäten an umweltrelevanten internationalen Aktionstagen wie z.B. dem Earthday am 22. April, Weltnichtrauchertag am 31. Mai, Weltumwelttag am 5.Juni, Tag der Tiere am 4.Oktober, Tag der Artenvielfalt am 29. Dezember etc.
  • bereits vorhandenes Umweltinteresse bei Lehrern und Schülern
  • ein sauberes und begrüntes Schulgelände

Inspektionsgruppen, die sich aus Vertretern der lokalen PEC, der Erziehungsbehörden und der KP zusammensetzen, haben seit 1997 landesweit 2000 Schulen das Label "Grüne Schule" verliehen, seit 1999 wurde einige hundert zur "Grünen Schule auf Provinzebene" ernannt. Zur Zeit werden die Kriterien für die "Nationalen grünen Schulen" ausgearbeitet.

Viele "grüne" Schulen sind aus der Initiative "Hand in Hand" (Shoulashou), zu der zuerst 1997 in der chinesischen Kinderzeitung (Zhongguo Shaonian Bao) aufgerufen hatte, hervorgegangen. Allein in Beijing beteiligen sich über hundert Schulen an diesem Programm. Es beinhaltet u.a., dass Schüler wiederverwertbare Abfälle von zu Hause mitbringen. Der Müll wird in der Schule sortiert und an Altstoffsammelstellen verkauft, der Erlös wird zur Unterstützung von Schulen in Armutsgebieten und für Umweltprojekte genutzt.

Das Interesse und Engagement vieler Lehrer, auch gerade derer, die aus Orten mit enormen Umweltproblemen stammen, ist groß. Doch mangelt es vielerorts an geeigneten Lehr-und Lernmitteln. Viele Lehrer werden so zu autodidaktischen Umweltpädagogen. Vorstöße einiger Schulen, "Umwelt" als eigenes Unterrichtsfach auf den Stundenplan zu setzen, treffen dabei jedoch nicht auf die Gegenliebe des Erziehungsministeriums. Die Aufnahme des Umweltschutzthemas in die Curricula soll den ohnehin schon übervollen Stundenplan chinesischer Schüler nicht noch zusätzlich belasten. Dagegen wird angestrebt, Themen zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung übergreifend in nahezu sämtliche Fächer und Disziplinen zu integrieren. Eine Überarbeitung der Schulbücher und Curricula ist zur Zeit im Gange. Bisher beschränkt sich die Vermittlung von umweltrelevanten Themen - wie in den meisten anderen Ländern auch - überwiegend auf den Biologie- und Geografieunterricht. Auch in China ist seit der UNO Umweltkonferenz 1992 der Begriff  "nachhaltige Entwicklung" und daran geknüpft der Anspruch "einer Erziehung zur nachhaltigen Entwicklung" zu einer allseits bemühten Formel avanciert. Auch wenn bereits einige Lehrmaterialien zu diesem Thema veröffentlicht wurden, tut man sich aber bisher noch schwer, den umfassenderen Gedanken der nachhaltigen Entwicklung pädagogisch umzusetzen.

Der Umweltunterricht an chinesischen Schulen konzentriert sich landesweit relativ einheitlich auf bestimmte Schwerpunkte. Dazu gehören die Teilnahme der Schulen an Baumpflanzaktionen im Frühjahr,  das Aufstellen von Nistkästen im Schulgarten, Aktionen zum Weltumwelttag am 5. Juni, Sammlung von Altbatterien, Ermahnung der Kinder weniger Plastiktüten zu verwenden.  In einigen Schulen haben Lehrer und Schüler Umweltgruppen gegründet, die sich nach Unterrichtsende oder an den Wochenenden treffen. In einigen Schulen erstellen Schüler eigene Umweltzeitungen mit Zeichnungen und kleinen Aufsätzen. Elite-Mittelschulen wie die Sungang-Mittelschule in Shenzhen veröffentlichen diese Beiträge auch auf einer eignenen Website.

Globe Schools

56 chinesische Schulen nehmen an dem von US-Vize Präsident Al Gore initierten Globe School Programm teil, das derzeit in 89 Ländern durchgeführt wird. Dieses Programm, dessen Schwerpunkt auf der internationalen Vernetzung von Schulen liegt, legt eine deutliche Betonung auf den bewussten Umgang mit Natur. Aus den Mitteln des Globe-Programms erhalten die Schulen Lehrmittel, eine bestimmte technische Ausstattung (Computer, Messgeräte zur Wetterbeobachtung) sowie regelmäßige Trainings für Rektoren und Fachlehrer. In China wird das Globe-Programm von CEEC koordiniert.  Im Globe-Programm werden Schulen gefördert, die sich bereits seit einigen Jahren im Bereich Umwelterziehung engagieren. Es sind Schulen mit sehr unterschiedlichen Vorraussetzungen: Die 2. Mittelschule in Shenyang, z.B. ist ein Elite-Internat,  das nur Schüler mit hervorragenden Zeugnissen und Kinder von Eltern aufnimmt, die sehr hohe Schulgebühren zahlen können. So konnte es sich die Schule leisten, eine Mio. RMB in die Neugestaltung ihres Schulgartens zu investieren.

Die ebenfalls am Programm teilnehmende Linxi-Grundschule in Benxi, Provinz Liaoning, liegt in einer Stadt, die in 80er Jahren den Ruf hatte, die Stadt mit der schlimmsten Umweltverschmutzung Chinas zu sein. Benxi, so hieß es damals, sei wegen der Luftverschmutzung auf keinem Satellitenbild erkennbar. Bereits 1989 führte die Linxi-Grundschule Umweltunterricht ein und hatte es Dank des Engagement ihres Schulleiters bereits 1991 zur ersten Umweltschule in Nordostchina gebracht und wurde 1997 für die Teilnahme im Globe-Programm nominiert.

NGOs

Mehrere in China aktive Nichtregierungsorganisationen sind im Bereich Umwelterziehung tätig.

WWF

Seit 1997 unterstützt der World Wide Fund for Nature(WWF)  in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium und gesponsort von BP-Amoco die "Environmental Educators Initiative". Im Rahmen des Projekts, das auf eine Gesamtlaufzeit von sechs Jahren angelegt ist, wurden an drei pädagogischen Universitäten (Beijing Normal University, Huadong Normal University, Shanghai und die Xinan Normal University, Chongqing) Ausbildungszentren für Umwelterziehung eingerichtet.  Diese Zentren organisieren Lehrerfortbildungen und regelmäßige Beratung für 27 Grundschulen, die an dem Modell während der ersten Projektphase teilnehmen. Im kommenden Jahr soll das Projekt landesweit auf weitere Schulen ausgedehnt werden. Die Dozenten der drei Zentren erhalten Trainings durch englische Umwelterziehungsexperten, die beteiligten Schulen dokumentieren ihren Umweltunterricht. Aus dem Projekt hervorgegangenen sind ein Materialienband für Lehrer ("ketexu fazhan jiaoyu - education for sustainable development") und die regelmäßig erscheinende Zeitschrift "Environmental Educators Initiative", die den Ansatz des Projekts auch über die Modellschulen hinaus bekannt macht.

Das Interesse und der besondere Enthusiasmus für den Umweltschutz bei den Schuldirektoren und den zuständigen Fachlehrern ist eine unmittelbare Voraussetzung für den Erfolg des Programms. Nicht minder wichtig aber ist die politische und finanzielle Unterstützung, die die Schulen von den lokalen Regierungen und Sponsoren erhalten.

So konnte die Baiyunlu-Grundschule in Beijing, eine der Modell-Grundschulen im Programm der "Environmental Educators Initiative", mit Mitteln, die der Stadtteil Xuanwu bereitgestellt hat, im 5. Stock ihres Schulgebäudes ein wohl landesweit einmaliges "Green Education Center" aufbauen. Neben einer ständigen Ausstellung mit Schautafeln und Objekten bietet das Zentrum eine Schüler-Bibliothek, Laborräume für Biologie, Chemie und Werkunterricht (z.B. für die Herstellung von Recycling-Papier und Kunstobjekten aus Abfallstoffen) sowie einen Versammlungsraum.

Weniger glücklich ist die Shenyanger Jiche Yixiao Grundschule. Als die Schule sich 1997 um die Aufnahme in das WWF geförderte Programm bewarb, sagte die Lokomotivfabrik, der die Schule angegliedert ist, ihre großzügige Unterstützung bei der Neugestaltung und Begrünung des Schulhofes zu. Inzwischen ist die Fabrik bankrott und kann ihre Zusagen nicht einhalten. Die Schule hat daher weder Mittel ihre Umgebung angenehmer zugestalten noch um zusätzliche Lehrmaterialien für den Umweltunterricht zu erwerben. Die Schließung der Lokomotivfabrik beeinträchtigt die Schule aber nicht nur im materieller Hinsicht. Ein Großteil der Kinder kommt aus Familien, deren Eltern nun arbeitslos sind. In dieser schwierigen psychologischen und ökonomischen Situation ist es schwierig, Enthusiasmus für Umwelthemen zu entfachen.

Friends of Nature

Die "Friends of Nature" (FON), eine der bekanntesten chinesischen Umwelt-NGO, besitzen seit April dieses Jahres ein Ökomobil. Der Kleinbus, den die Freunde nach der vom Aussterben bedrohten tibetischen Antilope "Antilopen-Bus" nennen, ist mit Anschauungsmaterial und Lernmitteln für Umwelt- und Naturschutzunterricht ausgestattet. Interessierte Schulen können den Bus samt erfahrenen Umwelttrainern bestellen. Für Schulen in der Stadt kostet dieser Service 100 Yuan, in ländlichen Gebieten wird der Unterricht kostenfrei angeboten. Das Besondere an diesem Projekt, das mit Unterstützung der Hamburger Umweltorganisation "Save our Future" (SOF) ins Leben gerufen wurde, ist das es auch Schulen in abgelegenen und weniger entwickelten Gebieten erreichen kann. "Friends of Nature" und SOF sind daran interessiert, weitere "Antilopen-Busse" zu erwerben und das Projekt auch auf andere Regionen Chinas auszuweiten. Hierfür werden noch Sponsoren gesucht.

Der Naturlehrpfad und die Gedenkstätte für ausgestorbene und bedrohte Tiere im Naturschutzgebiet  "Pere Davids Deer (Milu) Park" im Landkreis Daxing im Süden Beijings ist ein weiteres Projekt der Friends of Nature. Guo Geng, FON-Aktivist und Verfasser mehrerer Bücher über bedrohte Tiere, bietet dort kindgerechte Führungen an.

Environmental Education Television Project for China

Die NGO "Environmental Education Television Project for China" (EETPC) übersetzt, synchronisiert und produziert seit 1997 Umweltfilme. Diese Filme, mittlerweile über 200, werden nicht nur regelmäßig von chinesischen Fernsehstationen gesendet, viele Schulen leihen oder kaufen auch Kopien der Videos und nutzen sie für ihren Unterricht. Um eine noch grössere Verbreitung zu erreichen, möchte EETPC die Filme künftig auf VCDs vertreiben. In Planung befindet sich ein spezielles "Children's Environmental Television Programe", dessen regelmäßige wöchentliche Ausstrahlung auf CCTV geplant ist. Die Übersetzung  von Publikationen des englischen Earth Scan Verlags ist ein weiteres Projekt von EETPC . Soeben ist in dieser Reihe die chinesische Ausgabe von "Children's Participation" erschienen.

Global Village of Beijing

Die NGO "Global Village of Beijing" engagiert sich ebenfalls für Umweltbildung und Erziehung. Gemeinsam mit der SEPA haben sie einen "Citizen's Environmental Guide" sowie einen "Children's Environmental Guide" herausgegeben. Sie unterstützen die bereits erwähnte Aktion "Hand in Hand" und fungieren als Sammelstelle für Altbatterien. 

Wie Sie Projekte zur Umwelterziehung unterstützen können

Damit sind nur einige der unzähligen aufkeimenden Initiativen im Bereich Umweltbildung und Umwelterziehung genannt. An guten Willen und Engagement fehlt es vielerorts nicht, häufig aber an Fortbildung und Geld. Sie können mithelfen, aus den zarten Keimlingen kräftige, widerstandsfähige Pflanzen wachsen zu lassen, in dem Sie z.B. Partnerschaften für Schulen übernehmen und diese mit Lehrmaterialien und Medien (TV, Video-VCD-Geräten etc.) unterstützen. Kontakte zu Grünen Schulen können über CEEC und die örtlichen PEC der Umweltbüros auf Provinz und Stadtebene geknüpft werden.

Auch die erwähnten NGO-Projekte sind auf die Unterstüztung von Sponsoren angewiesen. So sucht FON noch Geldgeber für weitere "Antilopenbusse" und EETPC wirbt um Paten für weitere Übersetzungs-und Publikationsprojekte.

Eva Sternfeld

Die Autorin arbeit als deutsche CIM-Expertin seit April 2000 am China Environment and Sustainable Development Reference and Research Center (CESDRRC), einer Umweltbibliothek und Forschungseinrichtung, die dem CEEC angegliedert ist. U.a. ist sie in diesem Zusammenhang auch als Gutachterin für Umwelterziehung im EU-China Liaioning Integrated Environmental Protection Project tätig. Auf Anfrage vermittelt CESDRRC gern Kontakte zu den erwähnten Projekten und NGOs.

Kontakt: China-Japan Friendship Environmental Protection Center, Rm 701
Yuhui Nanlu No. 1, 100029 Beijing, VR China
Tel./Fax: 0086-10-6496635
email: aiwastar@163bj.com