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Unesco-Dekade

Das Finnische Bildungssystem

Steckbrief Finnland

Fläche 337.030 km²
Einwohnerzahl 5,2 Millionen (Stand: Juli 2003)
Anzahl der Kommunen ca. 400
Staatsgründung 1917 (Unabhängigkeitstag: 6.12.)

Grundlagen der Bildungspolitik

Bildung ist ein ziviles Grundrecht in Finnland. Das finnische Bildungssystem will allen Staatsbürgern bzw. Einwohnern gleiche Bildungsmöglichkeiten bieten - unabhängig von ihrem Alter, Wohnort, Vermögensverhältnissen, Geschlecht oder Muttersprache. Alle in Finnland wohnenden Menschen haben das Recht auf kostenfreien grundlegenden Unterricht sowie die Pflicht, an der allgemeinen Schulbildung (9 Schuljahre) teilzunehmen.

Dabei wird die Teilnahme an der allgemeinen Schulbildung nur als Mindestziel angesehen. Es wird angestrebt, dass jeder Einwohner eine berufliche Ausbildung oder Hochschulbildung absolviert. Staat und Gemeinden sind verpflichtet, auch über die allgemeinen Schulbildung hinaus jedem Einwohner entsprechend seiner Fähigkeiten und Bedürfnisse Möglichkeiten zur Bildung und zur Persönlichkeitsentwicklung einzuräumen.

Bildungseinrichtungen und Lernende in Finnland (2005)

Schulform

Zahl der Einrichtungen

Zahl der Schüler / Lernenden

Gesamtschulen (Grundschulen + Sekundarschulen)

3347

561.900

Gymnasium

428

123.800

Berufsbildende Schulen (Sekundarstufe)

182

140.700

Berufsbildungszentren für Erwachsene

48

38.700

Fachhochschulen

29

132.800

Universitäten

20


Die finnische Bildungspolitik ist zentralstaatlich organisiert. Die Regierung erlässt Gesetze bzw. gibt landesweit gültige Grundlagen wie z.B. die Unterrichtsgliederung in Fächer vor. Das Zentralamt für Unterrichtsswesen (National Board of Education) gibt auf dieser Grundlage die Bildungsziele sowie zentrale Inhalte des Unterrichts in Form von Kerncurricula (National Core Curricula) vor. Im Jahr 2004 wurde das Nationale Kerncurriculum für die allgemeine Schulbildung aktualisiert (es gibt solche Curricula auch für die Vorschule sowie die weiterführenden Bildungseinrichtungen, also Berufsbildung und gymnasiale Oberstufe). Bildung für nachhaltige Entwicklung ist in allen diesen Curricula hier als Fächer übergreifende Querschnittsaufgabe verankert. Problematisch ist allerdings, dass gleichzeitig mit dieser Querschnittsaufgabe auch die fachlichen Ansprüche erhöht wurden, so dass die Bildungseinrichtungen in einen Zielkonflikt geraten können.

Die gut 400 Kommunen sind nicht nur als Schulträger für die Bereitstellung der Infrastruktur zuständig. Sie haben auch die Kompetenz, die nationalen Kerncurricula passend für ihre Verhältnisse weiter auszugestalten. Auf Basis der lokalen Curricula entwickelt dann jede Schule ihre eigenen Lehrpläne.

Universitäten sind in der Forschung und Lehre frei, müssen aber alle 3 Jahre mit dem Kultusministerium einen Leistungsvertrag abschließen. Darin ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung inzwischen ein verbindlicher Paragraph.

Eine excellente Lehrerqualifikation und ausreichend Personal werden als Grundlagen eines erfolgreichen Bildungssystems verstanden. Bereits die Ausbildung zur Erzieherin (in Finnland: „Kindergarden Teacher“) erfordert in der Regel einen Hochschulabschluss (Bachelor) in Erziehungswissenschaften. Unter bestimmten Bedingungen kann auch ein Fachhochschul-Abschluss zum Beruf als Kindergartenlehrer befähigen. In Kindergärten gilt bei 0-3 jährigen Kindern ein Personalschlüssel von einem ausgebildeten Erwachsenen für 4 Kinder; bei 4-6 jährigen Kindern ist es ein ausgebildeter Erwachsener für 7 Kinder.

95% der finnischen Lehrer sind gewerkschaftlich organisiert. OAJ (Trade Union of Education in Finland, www.oaj.fi/) ist die größte Lehrergewerkschaft. Sie arbeitet eng mit dem Ministerium und dem National Board of Education zusammen.

Das finnische Bildungssystem schützt ausdrücklich die Rechte der Minderheiten. Die finnische und die schwedische Bevölkerungsgruppe sowie im Norden Finnlands die Samen haben das Recht auf Ausbildung in ihrer Muttersprache. Einwanderer sollen für eine funktionierende Zweisprachigkeit und einen kulturellen Pluralismus gewonnen werden. Es gibt auch z.B. Englische, Deutsche, Russische, Chinesische und Französische Schulen. Mehr über Bildung und Fürsorge im finnischen Bildungssystem...

Kinderbetreuung und frühkindliche Erziehung (Finnish day care system)

Die Wurzeln der finnischen Kindergärten gehen auf Fröbels Kindergartenpädagogik zurück. Der erste finnische Kindergarten wurde 1888 in Helsinki gegründet, um Kinder aus der Arbeiterklasse zu fördern. 1913 erhielten erstmals Kindergärten staatliche Zuschüsse; seit 1917 geschieht das regulär.

1973 wurde das Kinderbetreuungsgesetz (Children's Day Care Act) verabschiedet. Damit wurde die Kinderbetreuung zum Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kinderbetreuung fällt heute in den Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums. Die Kommunen müssen Kinderbetreuung in der Anzahl und Form bereitstellen, wie es den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.

Die Eltern sollen damit - unter sozialpolitischen wie Bildungsaspekten - dabei unterstützt werden, eine ausgewogene Entwicklung der Kinder abzusichern. Die frühkindliche Erziehung wird als Einheit von Unterrichten, Erziehen und Betreuen verstanden. Kindergartenlehrer sind als Erzieher, Lehrer und Pädagogen ausgebildet.

Kinderbetreuung umfasst neben Kindergartenplätzen auch die Betreuung der Kinder in den Familien. Knapp die Hälfte der finnischen Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren besucht einen kommunalen Kindergarten. Kindergartenplätze kosten – je nach Einkommen der Eltern – zwischen 0 und 200 € monatlich.

Vorschule (pre-school)

Seit dem Jahr 2000 wird den Kindern vom 6. Lebensjahr an eine kostenlose und freiwillige Vorschulbildung angeboten, die in Kindergärten, in Grundschulen oder ggf. auch bei Tagesmüttern stattfindet. 97% der Kinder nehmen daran teil.

Die Vorschule soll u.a.:

  • die Entwicklung des Kindes fördern, z.B. seine Eigeninitiative
  • eine Brücke zwischen Kindergarten und Schule bilden; das Kind auf den Schulunterricht vorbereiten
  • die Fähigkeit, in einer Gruppe zu lernen, fördern.

Die Vorschule basiert auf einem Unterrichtsplan aus dem Jahr 2000. Es gibt keine Unterrichtsfächer, aber vorgegebene Themenbereiche wie Sprachen und Interaktion, Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt und Natur, Gesundheit, physische und motorische Entwicklung sowie Kunst und Kultur.

Es gibt keine Bewertung/Zensuren, aber die Entwicklung der Kinder (das Gefühlsleben, die sozialen und kognitiven Fähigkeiten) wird genau beobachtet. Wie wir in der Pihkapuisto-Grundschule erfuhren, tauschen sich Vorschulen und Grundschulen aus, so dass die Grundschulen sehr zeitig erfahren, welche Kinder z.B. eine besondere Förderung benötigen.

Allgemeine Schulbildung (Comprehensive Schools)

7-16jährige Kinder absolvieren eine neunjährige allgemeine Schulbildung (in deutschsprachigen Quellen aus Finnland: "grundlegender Unterricht") in Gesamtschulen. Dabei umfasst die Primarstufe (Grundschule) die Klassen 1-6 und die Sekundarstufe die Klassen 7-9.

Foto: Th. Wahl-Aust    Foto: Th. Wahl-Aust

Eindrücke aus der Pihkapuisto-Grundschule in Helsinki - Links: Projektunterricht zum Thema Mülltrennung. Rechts: Schüler präsentieren ihre Arbeitsergebnisse.

Mit Absolvierung der 9. Klasse der Gesamtschule hat ein Schüler seine gesetzliche Schulpflicht erfüllt.

Die allgemeine Schulbildung ist dem Ziel der Fürsorge und Bildung für alle verpflichtet. "Ziel des grundlegenden Unterrichts ist die Unterstützung der Schüler bei ihrer Entwicklung zu humanistisch gesinnten und verantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft sowie die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten für das Leben. Der Unterricht soll zur Förderung der Bildung und Gleichberechtigung in der Gesellschaft sowie der Voraussetzungen der Schüler für die Bildungsteilnahme und Persönlichkeitsentwicklung beitragen." (Gesetz über den grundlegenden Unterricht 628/1998)

Kinder haben ein Recht darauf, die nächstgelegene Schule zu besuchen, sie können aber auch an anderen Schulen angemeldet werden. Besonders das Netz der Primarschulen ist recht dicht, so dass für die meisten Kinder die Schulwege nicht zu lang sind. Beträgt der Schulweg mehr als 5 km, so wird ein kostenloser Transport zur Verfügung gestellt.

In der Grundschule unterrichten in der Regel die Klassenlehrer alle Fächer; dadurch kennen sie ihre Schüler sehr gut und sind ihnen verlässliche Begleiter. In der Pihkapuisto-Grundschule, die wir besucht haben, gab es neben den Klassenlehrern lediglich eine Fachlehrerin (für Englisch).

In der Sekundarstufe unterrichten Fachlehrer.

Die allgemeine Schulbildung umfasst Muttersprache und Literatur, die zweite Landessprache, Fremdsprachen, Umweltlehre, Gemeinschaftskunde, Religion oder Ethik, Geschichte, Gesellschaftskunde, Physik, Mathematik, Chemie, Biologie, Geographie, Sport, Musik, Kunsterziehung, Handarbeit und Hauswirtschaftslehre.

Zur allgemeinen Schulbildung gehören auch Schülerberatung und bei Bedarf Sonderunterricht (siehe Bildung und Fürsorge an finnischen Schulen).

Wenn die Schüler ihr Lernpensum bis zur 9. Klasse absolviert haben, erhalten sie die mittlere Reife. Sie erhalten ein Abschlusszeugnis. Ein Examen müssen sie dabei nicht ablegen.

Für bemerkenswert halte ich, dass Schulpflicht keine Anwesenheitspflicht in der Schule bedeutet. Die Schüler können die von den Lehrplänen vorgegebenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch auf andere Weise erwerben.

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass im Rahmen der allgemeinen Schulbildung Schulabbruch oder Sitzenbleiben absolute Ausnahmen darstellen.

Die allgemeine Schulbildung ist vollständig kostenfrei, das schließt auch Schulmaterialien und Schulessen ein. Eine Ausnahme bilden einige Privatschulen, so z.B. die Internationale Schule in Helsinki.

Nach der allgemeinen Schulbildung können Schüler freiwillig

  • die 10. Klasse besuchen - das nutzen ca. 3% der Absolventen der 9. Klassen
  • eine Berufsausbildung bzw. die höhere Ausbildung absolvieren - das nutzen 33 bzw. 55% der Absolventen der 9. Klassen.

Ca. 7% der Absolventen der allgemeinen Schulbildung treten nicht unmittelbar eine weitere Ausbildung an.

Weiterführende Ausbildung

Nach der allgemeinen Schulbildung können sich Jugendliche in Finnland für die gymnasiale Oberstufe oder für eine Berufsausbildung bewerben. Das Bewerbungsverfahren ist weitgehend zentralisiert; nur ein kleiner Teil der Plätze wird von den weiterführenden Bildungseinrichtungen selbst vergeben.

Die Allgemeinbildende Sekundarstufe II (Gymnasium) wie auch die Berufsbildende Sekundarstufe II dauern 3 Jahre.

Auch diese weiterführende Ausbildung ist kostenfrei; es ist möglich, (bescheidene) staatliche Stipendien zu beziehen.

Quellen

  • Finnisches Zentralamt für Unterrichtswesen (Hrsg.): Das Bildungsangebot für Migranten in Finnland. Helsinki (o.J.) - Das in Deutsch verfasste Heft enthält – neben den spezifischen Regelungen für Migranten – auch eine gute Beschreibung des gesamten finnischen Bildungssystems.
  • OAJ: The Finnish Day Care System
  • Finnish Natinal Board of Education (Hrsg.): Das Finnische Bildungssystem (deutsche Version): http://www.oph.fi/english/pageLast.asp?path=447;4699;9615;11131
  • Erkka Laininen (Okka Foundation): Persönliche Mitteilungen im Rahmen des Finnisch-Deutschen Erfahrungsaustauschs zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in Finnland
  • Leena Hiillos (City of Helsinki - School department): Persönliche Mitteilungen im Rahmen des Finnisch-Deutschen Erfahrungsaustauschs zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in Finnland
  • Steckbrief Finnland auf www.kindernetz.de

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