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Unesco-Dekade

Neue Bilder machen Schule

Eine digitale Fotowanderung zum Nachmachen

Gliederung dieser Seite

Sekundarstufe I und II

von Gertrud Wolf

Ihre Abbildfunktion von Wirklichkeit haben Bilder mit den Möglichkeiten moderner Retuschierkunst längst eingebüßt. Insofern hat sich auch ihre Rolle im Unterricht gewandelt: Sie fungieren weniger als medialer Ersatz von Wirklichkeit, sondern bieten stattdessen eine Plattform, auf der sich die verschiedenen Sichtweisen erst fixieren und dann reflektieren lassen. Der Einsatz von Digitalkameras eignet sich zur geographischen Wahrnehmungsschulung und ist gleichzeitig ein wirksamer Beitrag zur Entwicklung von Medienkompetenz.

Die Bilder in den Köpfen

Was wir von der Welt wissen oder zu wissen meinen, manifestiert sich in den mentalen Vorstellungen, die wir davon haben. Dass diese kein ikonisches Abbild der Wirklichkeit liefern, merken wir im Alltag sehr häufig, wenn z.B. über Geschmacksfragen diskutiert wird oder unterschiedliche Erinnerungen an gemeinsame Ereignisse zum Vorschein kommen und uns befremden. Offenbar hat der Andere ein anderes Bild von der Wirklichkeit in seinem Kopf als wir selber. In der Wissenschaft und meistens auch in der Schule versucht man die verschiedenen Vorstellungen v.a. zu objektivieren. Subjektivität gilt zumeist als unwissenschaftlich, was zählt sind Fakten - harte Fakten.

Die moderne Lernpsychologie geht aber davon aus, dass Lernen immer auf der Basis vorhandener Strukturen verläuft. Deswegen ist es sinnvoll, wenn im Unterricht an Schülervorstellungen angeknüpft wird. Um einen Zugang zu erhalten, haben wir Schüler ihre eigenen Bilder vermittels einer digitalen Kamera fixieren lassen. Hierdurch wird der Anspruch Wilhelm von Humboldts (1907, S. 581) auf elektronischem Weg verwirklicht: "Um zu reflectieren, muß der Geist in seiner fortschreitenden Thätigkeit einen Augenblick still stehn, das eben Vorgestellte in eine Einheit fassen, und auf diese Weise, als Gegenstand, sich selbst entgegenstellen". Digitale Bildaufnahmen ermöglichen desweiteren eine vielseitige Bearbeitung, bei der Kontraste gesetzt, Ausschnitte gewählt, Bilder oder Bildfragmente kombiniert und mit weiteren Informationen und neuen Vorstellungen ergänzt werden können, die sich im Unterrichtsverlauf ergeben. Insofern läßt sich die Reflektion in der Handlung weiter fortsetzen. Zum Schluß ist das digitale Bild mehr als die Summe seiner Pixel: es zeichnet das Unterrichtsgeschehen nach, gibt Auskunft über Wissensbestände und Einstellungen, legt Fragen offen und eignet sich somit auch zu Ergebnissicherung, Präsentation und Leistungsbewertung.

Wahrnehmung und Interpretation

Wenn Bilder nicht als Fixative der Realität sondern unserer Wahrnehmung gelten, dann gewinnen sie an Bedeutung, weil sie helfen Wahrnehmungsprozesse bewußt zu machen. Wahrnehmung bedeutet stets Interpretation: "Selbst wenn Erwachsene die Umwelt wahrnehmen, organisieren (kodieren) sie die Sinneseindrücke zu logischen Systemen und passen sie bestimmten Schemata an" (Lurija 1992, S. 64). Über die Art und Weise dieser Interpretationen können Schüler (und Lehrer) Aufschluß erlangen, wenn sie ihre Bilder präsentieren und vergleichen und damit ihre eigenen Konstruktionen dekonstruieren (vgl. Reich 1997). Perspektivwechsel ergeben sich bei solchen Prozessen ganz automatisch und wirken in aller Regel sehr motivierend für den weiteren Unterrichtsverlauf, bei dem dann auch soziale oder wissenschaftliche Rekonstruktionen im Vordergrund stehen können. Die Bedingung hierbei ist allerdings, dass der Perspektivwechsel keine Bloßstellung von Unwissenheit ist. Es darf gerade nicht darum gehen, den Blick des Individuums zu entsichern, sondern vielmehr darum, den Blickwinkel zu erweitern. Kompetenz kann nur dort entstehen, wo Bewußtmachung zur Bildung von Sicherheit führt und nicht zum Gegenteil. Insofern sollten die Perspektiven der Schüler, ihre Wahrnehmungen und Vorstellungen stets ernst genommen werden. Diese Haltung ist auch bei der späteren Bearbeitung der Bilder am PC von Bedeutung.

Bearbeitung und Präsentation

Wenn die Schüler Bild- und eventuell auch Tonmaterial aus ihrer Lebenswelt entnommen haben, können sie damit am PC weiterarbeiten. Je nach gewähltem Thema sollte hierfür eine geeignete Aufgabenstellung formuliert werden (s. Material 1). Dies kann im Rahmen der räumlichen Orientierung z.B. die mediale Darstellung des Schulwegs oder bei einem ökologischen Thema die Präsentation eines Lebensraumes und der entsprechenden Standortfaktoren sein. Gut geeignet sind stadtökologische Themen, z.B. die Digitalisierung eines stadtökologischen Lehrpfades (Wolf & Sauerborn 1999). Denkbar ist auch die Visualisierung einer Produktionskette oder eines Arbeitsalltags, oder der Entwurf von Geschichten, in denen das soziale Leben spezifisch eingebettet wird. Im Gegensatz zu den gängigen Auffassungen, nach denen pro Schüler ein PC-Platz zur Verfügung stehen sollte, hat sich bei unseren Projekten die Arbeit in Kleingruppen bewährt. Optimal sind Dreiergruppen, bei denen die Schüler nicht isoliert vor sich hinarbeiten, sondern in ständiger Kommunikation und ständigem Aushandeln begriffen sind. Die Präsentation auf der homepage der Schule ist mit Sicherheit der krönende Abschluß eines solchen Projektes.

Neue Medien - Neue Bilder

Medienkompetenz wird heute noch vielfach auf die Fähigkeit zur Informationsbeschaffung reduziert (vgl. Schröder 2000). Dabei wird den neuen Medien von Seiten der Medienforschung ein viel differenziertes Qualitätsspektrum zugewiesen: Hier sind es v.a. die Gestaltungsmöglichkeiten des Rezipienten, die es ihm erlauben in den für ihn bisher nicht zugänglichen technischen Vermittlungsprozess einzugreifen und die das Neue an den neuen Medien ausmachen (vgl. Mast 1986). Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind im gesellschaftlichen Demokratisierungsprozess zunächst als Errungenschaft anzusehen, da die Medienfreiheit Bestandteil der freien Meinungsäußerung ist.

Neben das Recht auf Freiheit tritt aber in der Demokratie die Pflicht zur Selbstkontrolle: "Wenn das Bild des urteilsfähigen Bürgers konstituierend für Demokratie ist, sollte die gesellschaftliche Kommunikation und deren Vermittlung im Rahmen der technischen Möglichkeiten durch die Kommunikationsbedürfnisse der Bürger gesteuert werden" (Mast 1986, S. 241). Folgt man der Argumentation Masts, dann erweist sich als medienkompetent, wer in der Lage ist, seine multimedialen Gestaltungs- und Kommunikationsmöglichkeiten nach demokratischen Leitlinien auszurichten. Hiermit ist das Aufgabenprofil  umrissen, das gemeint sein muß, wenn von schulischer Bildung Medienkompetenz gefordert wird.

Die lerntheoretischen Annahmen zu multimedialer Unterrichtsgestaltung und die Notwendigkeit SchülerInnen eine Medienkompetenz im o.g. Sinn zukommen zu lassen, führen weg von Medieneinsätzen mit stark demonstrierendem Charakter. Führen weg von einer Reduzierung des Internets zur gigantischen Informationsbeschaffungsmaschine. Und führen weg vom Medienrezipienten: hin zum Mediengestalter. Unterrichtsgestaltung mithilfe einer digitalen Kamera erweist sich unter diesen Bedingungen als besonders brauchbar.

Keine Angst vor der Technik!

Digitale Kameras in der erschwinglichen Preisklasse sind Amateurkameras. D.h. sie sind von der Aufnahmetechnik her grundsätzlich einfach zu bedienen, da die Einstellungen automatisch erfolgen. Digitale Bilder überzeugen deswegen schon, weil sie fast immer scharf sind. Von der herkömmlichen Kamera unterscheidet sich die digitale dahingehend, dass sie anstelle eines Filmes einen Computerchip aus lichtempfindlichen Photozellen hat, dessen analoge Informationen von einem A/D-Wandler digitalisiert und schließlich von einem Speichermedium, gesichert werden müssen. Die Anzahl der Photozellen bestimmt die Anzahl der einzelnen Bildpunkte (Pixel), je weniger Bildpunkte, desto geringer die Auflösung, je mehr Pixel, desto höher die Auflösung. Die übliche Auflösung bei einem VGA-Bildschirm beträgt 640x480 Bildpunkte, unser Auge nimmt ein solches Bild bereits ohne Rasterung wahr. Grundsätzlich reichen damit also auch schon Kameras aus, deren Auflösungskapazität nicht die VGA-Auflösung übersteigt. Zumal man bei der Verwendung für das Internet die Bilder hinterher ohnehin runterrechnen muß, damit die Ladezeiten akzeptabel bleiben. Wir benutzen dennoch gerne eine möglichst hohe Auflösung, weil die Schüler häufig nur Ausschnitte aus den Bildern verwenden, die beim Vergrößern durch die geringe Pixelanzahl unansehnlich werden.

Die gespeicherten Bilder müssen irgendwann in den Computer eingespeist werden, damit sie dort angesehen und verarbeitet werden können. Der Transfer der Bilder über ein Kabel hat den Nachteil recht langer Ladezeiten, einfacher zu handhaben sind hingegen kleine Speicherchips (smart media card, memory stick), die dann in einen Diskettenadapter gelegt und mit Hilfe der mitgelieferten Software wie eine Diskette ausgelesen werden können.

Auf dem Markt gibt es mittlerweile eine Vielzahl von mehr oder weniger guten Kameras. Um die Verwirrung nicht noch größer zu machen, empfehlen wir nur eine: Die neue Mavica von der Firma Sony. Neben einer guten Auflösung und einer recht einfachen Menüführung - die bei allen Produkten gewöhnungsbedürftig ist -, bietet sie den Vorteil, dass normale Disketten als Speichermedium benutzt werden können. Auf eine Diskette passen zwar nur zwei bis drei Bilder, aber man kann den Schülern direkt ihre Bilder in die Hand geben und erspart sich ein langes Sortieren. Die neue Mavica kann auch mit dem Diskettenadapter bestückt werden, so das ein Speichermedium mit bis zu 64 MB (d. s. rund 50 Disketten) zur Verfügung steht. Sowohl die Mavica, als auch die kleineren Kameras von Sony haben uns überzeugt, weil sie einen sehr ausdauerfähigen Akku besitzen. Man kann dann zwar nicht im Notfall auf normale Batterien umsteigen, aber erlebt so einen Notfall auch selten. Außerdem haben wir uns mittlerweile einfach einen zweiten Akku angeschafft.

Wenn es um Computerarbeit in der Schule geht, wird meistens das Problem der teuren Software als größtes Hinderniss aufgeführt. Es sind aber im Bereich der Bildbearbeitung und auch bei den Präsentationsprogrammen mittlerweile einige Freeware-Angebote im Umlauf. Dies sind meistens etwas ältere Produkte, die quasi umsonst auf den CD-Beilagen von Computerzeitschriften angeboten werden. Außerdem bieten viele Frmen auf ihren homepages die Möglichkeit zum kostenlosen download älterer Produkte oder Probeversionen an. Hier gilt es, die Augen offenzuhalten und sich Möglichkeiten des Austauschs zu suchen.

Wer sich stärker mit den Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung auseinandersetzen will, dem empfehlen wir v.a. die Seminare der Akademie Remscheid oder der Jugendherberge Lindlar, denen wir ebenfalls einen Großteil unseres Wissens zu verdanken haben.

Internet

Literatur

Materialien: Kameraspiel

Die folgenden Arbeitsaufträge wurden auf Karten gedruckt und Kleingruppen von etwa 4 Schülern an die Hand gegeben. Beim Einsatz von Kameras besteht immer die Gefahr, dass die Schüler sich auf die Technik stürzen und nur noch draufhalten. Um diesen Effekt zu verhindern ist es sinnvoll die Kameras erst nach einem weiteren Treffen mit der gesamten Gruppe auszuteilen, wo dann zunächst jede Kleingruppe ihr Bild vorstellt. Für die Suche nach einem Bild reichen 15 min., für die Besprechung muß man etwa 20 min. veranschlagen und für die Aufnahme dann nochmal 10 min. Je nach Gruppe läßt sich das Ablaufschema flexibel gestalten.

Aufgabe

Sucht gemeinsam einen Ort, von dem Ihr Aufnahmen machen wollt. Entfernt Euch dabei nicht zu weit von der Schule!

Schreibt Euch einen Straßen- oder Platznamen oder dergleichen auf, damit wir den Ort später auf dem Stadtplan wiederfinden können.

Bereitet Eure Aufnahmen zunächst anhand der Arbeitsaufträge vor. Diskutiert Eure Erfahrungen in der Gruppe und einigt Euch dann darauf, was Ihr wirklich knipsen wollt.

Macht ein par Aufnahmen und wenn Ihr noch Zeit habt sucht Euch eine zweite Szene aus.

Stell Dir vor, Du bist ein Fotograf oder eine Fotografin und sollst eine Aufnahme machen.

Du bist für die Beleuchtung zuständig!

Stell Dir vor, Du bist das Macro-Objektiv eines Fotoapparates. Das bedeutet, Du hältst von dem ausgewählten Objekt einen Abstand von 10 cm bis 1 m. Du kannst also auch von ganz kleinen Dingen eine Aufnahme machen!

Stell Dir vor, Du bist das Weitwinkel-Objektiv eines Fotoapparates. Das bedeutet, dass Du das ausgewählte Objekt mit der ganzen Sehfläche Deiner Augen im Blick hast, ohne jedoch dabei den Kopf zu drehen.

Stell Dir vor, Du bist das Teleobjektiv eines Fotoapparates, d.h. Du nimmst einen kleinen Ausschnitt ganz weit in der Ferne wahr und holst ihn dann ganz nah an Dich heran.

 

Kontakt

Gertrud Wolf ist Doktorandin und Petra Sauerborn ist Studienrätin (i.H.).

Gertrud Wolf, Seminar für Allgemeine Pädagogik, Universität zu Köln, Gronewaldstr. 2, 50931 Köln

Dr. Petra Sauerborn, Seminar für Geographie und ihre Didaktik, Universität zu Köln, Gronewaldstr. 2, 50931 Köln

 

Copyright für diese Seite: Gertrud Wolf